Wertschätzende Kommunikation und achtungsvolle Kooperation bei eventuell bleibenden Unterschieden

Natürlich können die Modelle der Selbstorganisation des eigenen inneren Erlebens mit seiner Wechselwirkung mit der Außenwelt und seinen Zwickmühlen auch auf die Prozesse innerhalb eines Paares, einer Gruppe oder Gemeinschaft umgelegt werden.

Aufbauend auf das grundlegende hypnosystemische Modell zur Steuerposition von Gunther Schmidt, hat Mechthild Reinhard ihr Modell der Inneren Vielseitigkeit, Ambivalenz und Möglichkeit, sich aufzuspannen, für die Betrachtung des Individuums entwickelt. Sowie dieses erweiternd ihr Modell der wertschätzenden Kommunikation von Beobachter zu Beobachter für die Beschreibung der wertschätzenden zwischenmenschlichen Begegnung. Im Modell der eigenen Vielseitigkeit, Ambivalenz und Möglichkeit, sich aufzuspannen, beschreibt sie uns Menschen als einzigartige Universen mit vielen verschiedenen Anteilen oder Seiten auf bewusster und unwillkürlichen Ebene, einem unzerstörbaren, heilen Kern und der Fähigkeit, sich aufzuspannen, um durch das Einnehmen einer Beobachterposition das eigene Innenleben zu beobachten und zu reflektieren. (Für eine ausführlichere Beschreibung siehe im Kapitel „Umgang mit Widersprüchen“ das Unterkapitel „Aufbau einer hilfreichen Steuerposition“.)

Das Modell der wertschätzenden Kommunikation von Beobachter zu Beobachter greift diese Sicht des Einzelnen auf und beschreibt, wie zwei Personen sich als jeweilige Beobachter ihrer eigenen Welt miteinander unterhalten könnten. 

Der wichtige Punkt, damit Kommunikation wertschätzend und achtungsvoll wird, ist, dass die Personen sich im Klaren darüber sind, nicht wissen zu können, wie genau ihr Gegenüber die Welt und das aktuelle Gespräch erlebt und neugierig auf die jeweilige Sichtweise des Gegenübers zu bleiben. Dadurch berichtet jeder als Beobachter seines eigenen einzigartigen Universums über das eigene Erleben und welche Auswirkungen die aktuelle Begegnung darauf hat und fragt abschließend, wie diese Beschreibung nun wieder auf das Gegenüber wirkt. So kann ein Zwischenraum entstehen, eine ausgehandelte Zone, wo man sich begegnen, etwas von sich preisgeben und sich austauschen kann, und trotzdem die eigenen Grenzen gewahrt bleiben. Wenn es um Kooperation geht, dann kann in diesem gemeinsamen Zwischenraum das Wofür in der Mitte stehen, für das die beiden in Kooperation gehen möchten/sollen und auf das sie sich in ihrem Austausch beziehen. (Reinhard (2017))

Dieses Wofür in der Mitte, dieses Aufladen der Mitte ist noch wichtiger, wenn es um wertschätzende Kommunikation und Kooperation bei eventuell bleibenden Unterschieden in einer Gruppe geht. 

Dies ermöglicht eine klare Fokussierung auf das gemeinsame Wofür/ das gemeinsame Ziel/ das gemeinsame Thema und der Austausch der einzigartigen Personen untereinander erfolgt immer im Bezug darauf. Es wird in sich hineingehorcht und den anderen berichtet, was das jeweilige Wofür und der gerade stattfindende Austausch darüber in der eigenen inneren Welt für Wirkungen hat. Was vielleicht die Neugier weckt, was vielleicht vor den Kopf stößt, was vielleicht Assoziationen zu anderen Themen/Aspekten aufruft, welche Auswirkungen es auf das körperliche Befinden hat.

Damit verbunden erfolgt die Rückfrage, wie dieser Bericht aus der eigenen Welt wieder auf die anderen Beteiligten wirkt.

So können sich alle Teilnehmenden mit ihren eigenen einzigartigen Innenwelten, in Bezug auf das gemeinsame Wofür, miteinander vernetzen und es entsteht das Erleben, als Gruppe/als Team in einem gemeinsamen Gesprächsraum zu sein, in dem sowohl die Balance zwischen Zugehörigkeit und Autonomie, als auch der Zielbezug berücksichtigt bleibt. So wird wertschätzende Kommunikation und Kooperation, bei bleibender Unterschiedlichkeit, möglich. (Reinhard (2017))

Quellenverzeichnis:

  • Bartl, R. (2016). Sucht, Angst, Zwang, Essstörungen. Hypnosystemische Perspektiven zum hilfreichen Umgang mit leidvollen Störungen und deren geschützten Anliegen. C-Seminar Klinische Hypnose; Hypno-Synstitut Wien.
  • Fereberger, B. (2020). Ressourcen zur Stabilisierung des Nervensystems in Zeiten der Krisen. Seminar ÖAP; Wien
  • Gross, M. (2016). Von A wie Angst bis Z wie Zweifel. C-Seminar Klinische Hypnose; Hypno-Synstitut Wien.
  • Herr, A. (2017). Einführung in die Hypnosystemik. Gastreferent im 1.Modul des Grundkurses zur Systemischen Pädagogik bei Mechthild Reinhard; Helm-Stierlin-Institut Heidelberg
  • Kollar, A. (2018). Hypno meets Brainspotting 2. C-Seminar Klinische Hypnose. MEGA Wien
  • Maturana, H. & Varela F. (1984). Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens. Goldmann
  • Porges, S. (2010). Die Polyvagal-Theorie. Neurophysiologische Grundlagen der Therapie. Emotionen, Bindung, Kommunikation und ihre Entstehung. Paderborn: Jungfermann Verlag
  • Porges, S. (2016). Connectedness as a biological imperative: Understanding trauma through the lens of the Polyvagal Theory. Vorkongress-Workshop- Reden reicht nicht!?; Heidelberg
  • Porges, S. (2019). Die Polyvagal-Theorie und die Suche nach Sicherheit: Traumabehandlung, soziales Engagement und Bindung. Liechtenau: G.P. Probst Verlag
  • Reinhard, M. (2017). Grundkurs Systemische Pädagogik und Beratung; Helm-Stierlin-Institut Heidelberg
  • Reinhard, M. (2018). Aufbaukurs Systemische Pädagogik und Beratung; Helm-Stierlin-Institut Heidelberg
  • Reinhard, M. (2020). Erweiterungskurs Systemische Pädagogik und Beratung inkl. Coaching & Supervision; Systelios-Akademie Siedelsbrunn
  • Schmidt, G. (2004). Liebesaffäre zwischen Problem und Lösung. Hypnosystemische Konzepte für schwierige Kontexte. Heidelberg: Carl-Auer.
  • Schmidt, G. (2011). Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung. Heidelberg: Carl-Auer.
  • Schmidt, G. (2014). Curriculum Klinische Hypnose (B1-B8) der MEG. Milton-Erickson-Institut Heidelberg
  • Schmidt, G. (2017). Selbsthypnose und hypnosystemisches Selbstmanagement. C-Seminar Klinische Hypnose; Milton-Erickson-Institut Heidelberg