Erleben wird erzeugt durch Aufmerksamkeitsfokussierung

Aus hypnosystemischer Sicht wird Erleben erzeugt durch Aufmerksamkeitsfokussierung auf allen Sinnensebenen. Basierend auf dem Hebb´schen Gesetz (cells that fire together wire together and when they wire together they fire together = Zellen die miteinander feuern, vernetzen sich und wenn sie miteinander vernetzt sind, dann feuern sich auch wieder miteinander- (Schmidt (2014,2017)) wird davon ausgegangen, dass die einzelnen Elemente einer emotional geladenen Erfahrung sich zu einem neuro-physiologischen Erlebnisnetzwerk verbinden. 

Elemente eines solchen Erlebnisnetzwerks sind beispielsweise: Ort, Zeit, Beteiligte, Beschreibung, Benennung, Erklärung, Bewertung, Schlussfolgerung, Empfindungen, Emotionen, Atmung, Gestik, Mimik, Körperkoordination, Alters-, Größen- und Raumerleben, Innere Dialoge, Erwartungen, Umgang mit sich selbst, Metaphorik, innere Filme, uvm. (Schmidt (2014), Herr (2017)).

Je nachdem, was gerade im Scheinwerfer der Aufmerksamkeit ist, oder anders ausgedrückt, mit welchen Erlebnisnetzwerken man gerade assoziiert und mit welchen man gerade dissoziiert ist, erlebt man sich selbst und die Welt auf unterschiedliche Weise. Die Netzwerke stehen miteinander in zirkulärer Wechselwirkung. Interventionen können erachtet werden als Maßnahmen der Unterschiedsbildung, wobei bei jedem Element eines Netzwerks angesetzt werden kann.

Erlebnisnetzwerke umfassen neben Elementen, die uns bewusst sind und die wir willkürlich steuern können, vor allem auch Elemente, die unwillkürlich und dem Bewusstsein oft (noch) nicht zugänglich sind. Als unwillkürlich wird in diesem Denken alles bezeichnet, was nicht direkt willkürlich gesteuert werden kann, dabei kann es sich um bewusste oder unbewusste Prozesse oder Elemente handeln. Unwillkürliche Prozesse finden vor allem in den entwicklungsgeschichtlich älteren Teilen unseres Gehirns (Stamm- und Zwischenhirn) statt, laufen autonom ab und sind immer schneller und stärker als alles Willentliche. Daher ist ein grundlegendes Ziel im hypnosystemischen Arbeiten, im inneren Erleben eine wertschätzende, achtungsvolle Kooperationsbeziehung zwischen dem bewussten Denken und den unwillkürlichen Prozessen anzuregen. Dabei ist zu beachten, dass das willentlich Bewusste vor allem kognitiv ist und auf Sprache beruht. Unwillkürliches wird jedoch vor allem von Prozessen des Stamm- und Zwischenhirns gesteuert, welches, wenn man so möchte, keine Sprache versteht. 

Als Brücke für die Kommunikation zwischen kognitiv Bewusstem und emotional, körperlich Unwillkürlichem können innere Bilder, Metaphern, Symbole, Imaginationen, Rhythmus, Bewegung, Mimik, Gestik, Olfaktorisches, Gustatorisches, Rituale, Tanz, Musik und sonstiges Nonverbales genützt werden. (Schmidt (2004, 2011, 2014, 2017).

Quellenverzeichnis:

  • Bartl, R. (2016). Sucht, Angst, Zwang, Essstörungen. Hypnosystemische Perspektiven zum hilfreichen Umgang mit leidvollen Störungen und deren geschützten Anliegen. C-Seminar Klinische Hypnose; Hypno-Synstitut Wien.
  • Fereberger, B. (2020). Ressourcen zur Stabilisierung des Nervensystems in Zeiten der Krisen. Seminar ÖAP; Wien
  • Gross, M. (2016). Von A wie Angst bis Z wie Zweifel. C-Seminar Klinische Hypnose; Hypno-Synstitut Wien.
  • Herr, A. (2017). Einführung in die Hypnosystemik. Gastreferent im 1.Modul des Grundkurses zur Systemischen Pädagogik bei Mechthild Reinhard; Helm-Stierlin-Institut Heidelberg
  • Kollar, A. (2018). Hypno meets Brainspotting 2. C-Seminar Klinische Hypnose. MEGA Wien
  • Maturana, H. & Varela F. (1984). Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens. Goldmann
  • Porges, S. (2010). Die Polyvagal-Theorie. Neurophysiologische Grundlagen der Therapie. Emotionen, Bindung, Kommunikation und ihre Entstehung. Paderborn: Jungfermann Verlag
  • Porges, S. (2016). Connectedness as a biological imperative: Understanding trauma through the lens of the Polyvagal Theory. Vorkongress-Workshop- Reden reicht nicht!?; Heidelberg
  • Porges, S. (2019). Die Polyvagal-Theorie und die Suche nach Sicherheit: Traumabehandlung, soziales Engagement und Bindung. Liechtenau: G.P. Probst Verlag
  • Reinhard, M. (2017). Grundkurs Systemische Pädagogik und Beratung; Helm-Stierlin-Institut Heidelberg
  • Reinhard, M. (2018). Aufbaukurs Systemische Pädagogik und Beratung; Helm-Stierlin-Institut Heidelberg
  • Reinhard, M. (2020). Erweiterungskurs Systemische Pädagogik und Beratung inkl. Coaching & Supervision; Systelios-Akademie Siedelsbrunn
  • Schmidt, G. (2004). Liebesaffäre zwischen Problem und Lösung. Hypnosystemische Konzepte für schwierige Kontexte. Heidelberg: Carl-Auer.
  • Schmidt, G. (2011). Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung. Heidelberg: Carl-Auer.
  • Schmidt, G. (2014). Curriculum Klinische Hypnose (B1-B8) der MEG. Milton-Erickson-Institut Heidelberg
  • Schmidt, G. (2017). Selbsthypnose und hypnosystemisches Selbstmanagement. C-Seminar Klinische Hypnose; Milton-Erickson-Institut Heidelberg